NACHHALTIGE BESCHAFFUNG - DEFINITION, VORTEILE & BEISPIELE
In Zeiten von Klimaveränderung, Globalisierung und demografischem Wandel zählt es zu den primären Aufgaben öffentlicher Auftraggeber Nachhaltigkeitskriterien in das Vergabeverfahren zu integrieren. Doch was müssen Unternehmen diesbezüglich beachten – und wie bringen Sie sich bei Ausschreibungen mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit ins Spiel?
Beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos im März 2024 wurde erneut deutlich, wie entscheidend eine nachhaltige Beschaffung und das Lieferkettenmanagement für die Zukunft sind.
Erfahren Sie im DTAD Magazin, was die Kriterien der nachhaltigen Beschaffung sind, welche Vorteile sie bietet und wie Unternehmen ihren Einkaufsprozess nachhaltiger gestalten können.
WAS BEDEUTET NACHHALTIGE BESCHAFFUNG? – EINE DEFINITION
Unter der nachhaltigen Beschaffung (engl. Sustainable Procurement) – auch grüne oder ökologische Beschaffung genannt – fasst man die Beschaffung von Produkten zusammen, die entlang ihres gesamten Lebenszyklus einen möglichst geringen negativen Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft haben. In anderen Worten: Nachhaltige Beschaffung beschreibt einen Beschaffungsprozess, der sich nicht ausschließlich an monetären Aspekten orientiert, sondern im Speziellen soziale und ökologische Kriterien einfließen lässt.
Seit der Vergaberechtsreform im Jahr 2016 können öffentliche Auftraggeber Nachhaltigkeit als Kriterium im Vergabeverfahren berücksichtigen. Dabei müssen sie auch die sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen beachten, die durch die Produktion, die Dienstleistung oder den Bauauftrag verursacht werden. Um sicherzustellen, dass die Nachhaltigkeitsstandards entlang der gesamten Lieferkette eingehalten werden, müssen verschiedene Prozesse berücksichtigt und unterschiedliche Instrumente genutzt werden. Ob ein Prozess als nachhaltig eingestuft werden kann oder nicht, wird oft erst durch eine langfriste Analyse deutlich.
Welche Rolle spielt CSR bei der nachhaltigen Beschaffung?
Corporate Social Responsibility (CSR) zahlt konkret auf die nachhaltige Beschaffung ein. Es handelt sich um ein ethisches Konzept, bei dem davon ausgegangen wird, dass Firmen in Bezug auf Umwelt und Gesellschaft Verantwortung übernehmen müssen. Unternehmerisches Handeln wird hinterfragt und es werden Rückschlüsse für aktive Maßnahmen in der Firma gezogen. CSR hat drei Dimensionen:
- eine ökologische
- eine ökonomische und
- eine soziale.
Die Umsetzung von CSR ist noch nicht verpflichtend, sondern basiert auf Freiwilligkeit.
WELCHE VORTEILE HAT DIE NACHHALTIGE BESCHAFFUNG?
Nachhaltige Beschaffung wird nicht nur den aktuellen Anforderungen in Bezug auf den Klimawandel gerecht, sondern bietet eine breite Palette an Vorteilen. Diese ergeben sich für Unternehmen, die sich an Ausschreibungen beteiligen, aber auch für öffentliche Auftraggeber.
1. Beitrag zum Klimaschutz und zu Menschenrechten
Unternehmen und Auftraggeber, die auf nachhaltige Beschaffung setzen, tragen durch den Einsatz ressourcenschonender Materialien und Produktionsprozesse zu einer geringeren Umweltbelastung bei und reduzieren somit ihren ökologischen Fußabdruck. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Erreichung der gesetzten Klimaziele, die ohne nachhaltige Produkte unmöglich sind. Zudem positionieren sie sich klar gegen gesellschaftliche Missstände und für eine menschenrechtskonforme Firmenpolitik.
2. Erfüllung regulatorischer Anforderungen
Um die gesteckten Ziele in Bezug auf Umwelt und Gesellschaft zu erreichen, verabschiedet die Regierung fortlaufend neue Richtlinien. Finden sie Anwendung, müssen Unternehmen und Auftraggeber, die sich auf öffentlichen Ausschreibungen spezialisieren, diese Richtlinien und Gesetze zur nachhaltigen Beschaffung einerseits kennen und andererseits erfüllen.
3. Risikominimierung
Umweltverschmutzungen, ethische Verstöße, unlautere Geschäftspraktiken – Gründe für schlechte PR gibt es viele. Robuste Prozesse in der nachhaltigen Beschaffung können helfen, Risiken zu minimieren. Unternehmen sollten ihre Lieferkette einer sorgfältigen Prüfung unterziehen und somit sicherstellen, dass sie alle geltenden Regularien zum Klimaschutz und zu Menschenrechten einhalten.
4. Neue Finanzierungschancen
Eine Konzentration auf Nachhaltigkeit kann Wettbewerbsvorteile schaffen. Einige Investoren tätigen so genannte „Green Investments“, die explizit auf Unternehmen abzielen, die eine nachhaltige Firmenpolitik vertreten. Somit eröffnen sich möglicherweise neue Kapitalzugänge für innovative Ansätze.
5. Ökonomischeres Wirtschaften
Nachhaltigkeit ist auf Langfristigkeit ausgelegt. Unternehmen, die sich darauf konzentrieren, erreichen in der Regel eine höhere Resilienz und Zukunftsfähigkeit. Da die Produkte häufig langlebiger sind, wird auch eine beständigere Wirtschaftlichkeit erreicht und es werden Ressourcen gespart. Auch monetäre Vergünstigungen können erzielt werden, z. B. durch die geringeren Entsorgungskosten von umweltfreundlichen Produkten.
6. Verbesserte Wahrnehmung und Reputation
Nachhaltige Firmen übernehmen eine Vorbildfunktion, die eine positive Wirkung auf das Image haben kann und den gestiegenen Erwartungen der Kundschaft entspricht.
7. Zugang zu neuen Kundengruppen
Die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt kontinuierlich und der Markt erweitert sich. Wer auf nachhaltige Beschaffung setzt, kann neue Marktsegmente erschließen, die Wert auf Umwelt- und Sozialstandards legen.
8. Wettbewerbsvorteil
Unternehmen, die nachhaltige Praktiken implementieren, können sich von der Konkurrenz abheben, um sich neue Aufträge zu sichern. Eine nachweisbare Nachhaltigkeitsstrategie kann ein ausschlaggebendes Kriterium bei der Vergabe von Aufträgen sein. Zudem verlangen dies viele öffentliche sowie private Auftraggeber oftmals bereits bei Ausschreibungen.
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NACHHALTIGE ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNG
Als einer der größten Auftraggeber in Deutschland spielt der öffentliche Sektor eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Nachhaltigkeit in der Beschaffung voranzutreiben. Auch wenn derzeit bisher nur bei ca. 12 % der öffentlichen Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte Vorgaben zu Nachhaltigkeitskriterien gemacht werden, sehen immer mehr Entscheider die Vorbildfunktion und den Einfluss der öffentlichen Hand.
Gut zu wissen: In Niedersachsen gelten seit Dezember 2023 neue Regeln für mehr Nachhaltigkeit bei öffentlichen Aufträgen. So sollen z. B. im Baubereich nachwachsende Baustoffe und Recyclingbaustoffe beim Einkauf von Bauleistungen berücksichtigt werden können.
Wo ist die nachhaltige Beschaffung geregelt?
- § 127 Abs. 1 GWB: In diesem Paragraphen ist festgelegt, dass eine Preis-Leistungs-Ermittlung bei der Vergabe neben qualitativen auch ökologische und soziale Aspekte einbeziehen kann.
- § 97 Abs. 3 GWB: Das Gesetz, welches die Wettbewerbsbeschränkung regelt, führt in Punkt 3 an, dass sowohl soziale als auch umweltbezogene Aspekte berücksichtigt werden sollen. Damit wird die Grundlage geschaffen, Nachhaltigkeit umsetzen zu können.
Die Vergabeverordnung (VgV) untermauert diese Regelungen durch zusätzliche kleinteiligere Vorgaben wie in § 67 der VgV. Dort ist geregelt, dass öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von energieverbrauchsrelevanten Liefer- oder Dienstleistungen den Energieverbrauch bzw. die Energieeffizienz angemessen berücksichtigen sollen. Bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen sind ebenfalls Energieverbrauch und Umweltauswirkungen zu betrachten, entweder durch Vorgaben in der Leistungsbeschreibung oder durch Berücksichtigung von Zuschlagskriterien (vgl. § 68 VgV).
Was ist die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung?
Die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) ist eine zentrale Beratungsstelle in Deutschland, die öffentliche Auftraggeber bei der Umsetzung ökologischer, sozialer und ökonomischer Kriterien in ihren Beschaffungsprozessen unterstützt. Sie bietet Informationen, Schulungen und praktische Hilfestellungen zur Nachhaltigkeit im Beschaffungsprozess. Ziel der KNB ist es, Nachhaltigkeitsstandards zu fördern und dadurch die Marktveränderungen hin zu nachhaltigeren Produkten und Dienstleistungen zu unterstützen. Die KNB agiert als Schnittstelle zwischen öffentlichen Beschaffern, der Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Akteuren.
WIE KÖNNEN UNTERNEHMEN IHRE BESCHAFFUNG ÖKOLOGISCHER GESTALTEN?
Unternehmen haben viele Stellschrauben, an denen sie ihre Beschaffungsprozesse optimieren können. Folgende Fragen können hierbei berücksichtigt werden:
- Wie energieeffizient sind die Produkte? Haben sie eine hohe Energieeffizienzklasse oder tragen sie zu einem geringen Energieverbrauch bei?
- Woher stammen die Produkte? Sind sie regional oder lokal produziert, um Transportemissionen zu minimieren?
- Wie nachhaltig sind die Produktionsprozesse? Werden umweltfreundliche Verfahren und Technologien verwendet, die den CO2-Fußabdruck reduzieren?
- Enthalten die Produkte keine oder kaum Schwermetalle und Lösungsmittel?
- Sind die Produkte aus recycelten Materialien?
- Unterstützen die Produkte faire Handelspraktiken? Sind sie aus fair gehandelten Rohstoffen hergestellt, die soziale und ökologische Standards einhalten?
- Sind die Lieferanten zertifiziert? Verfügen die Lieferanten über anerkannte Umweltzertifizierungen wie ISO 14001 oder EMAS?
- Lassen sich die Produkte mehrfach verwenden (Mehrweg)?
- Sind die Produkte langlebig und leicht zu reparieren? Lassen sich ggf. einzelne Bestandteile ersetzen?
- Kann auf unnötiges Verpackungsmaterial verzichtet werden? Gibt es ökologischere Alternativen, z. B. recyceltes oder abbaubares Material?
- Wie kann das Produkt dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt werden? Fallen bei der Entsorgung zusätzliche Kosten an?
- Sind die Folgekosten in Bezug auf Energie, Ressourcen etc. gering?
Mit der ISO 20400 veröffentlichte die Internationale Organisation für Normung (ISO) im April 2017 einen internationalen Standard für nachhaltige Beschaffung. Der Leitfaden (bisher nur auf Englisch, Französisch und Spanisch) gibt privaten und öffentlichen Organisationen eine Hilfestellung, wie sie ihren Beschaffungsprozess strukturell und operativ nachhaltig umsetzen können.
Wichtig: Zentral von Bedeutung für das Gelingen einer nachhaltigen Beschaffung ist die Vergabeabteilung. Diese sollte in der Lage sein, nachhaltige Produkte zu erkennen und diese bei der Vergabe einzubeziehen. Um das zu erreichen, können Schulungen gegeben oder Checklisten über Nachhaltigkeit eingeführt werden.
BEISPIELE FÜR NACHHALTIGE BESCHAFFUNG
Ökonomische Interessen und Umweltschutz können sehr gut miteinander vereinbart werden. Es gibt bereits viele Positivbeispiele, die zeigen, wie der nachhaltige Gedanke in der Beschaffungspraxis umgesetzt wurde.
Nachhaltige Beschaffung in Berlin
Der Senat Berlin setzte von 2010 bis 2020 auf ein zukunftsorientiertes Abfallwirtschaftskonzept, das erstmals 2013 den Einsatz von 5.400 m³ Recycling-Beton (RC-Beton) im Hochbau forderte. Wissenschaftlich begleitet durch die BTU Cottbus-Senftenberg, zeigte das Pilotprojekt, dass RC-Beton qualitativ gleichwertig ist und erhebliche Umweltvorteile bietet, wie reduzierte Flächeninanspruchnahme sowie Energie- und CO2-Einsparungen. Künftig soll RC-Beton bei öffentlichen Hochbauvorhaben verstärkt genutzt werden, um jährlich 100.000 m³ Normalbeton zu substituieren.
Nachhaltige Baustoffe
Nachhaltige Baustoffe spielen eine zentrale Rolle bei der Reduktion von CO2-Emissionen und der Förderung einer ressourcenschonenden Bauweise. Materialien wie Holz aus zertifizierten Quellen, RC-Beton, Hanf, Lehm und Stroh bieten ökologischere Alternativen zu konventionellen Baustoffen. Der Einsatz solcher Materialien kann die Umweltbelastung erheblich reduzieren und zur Kreislaufwirtschaft beitragen. Wie das Fallbeispiel Berlin zeigt, kann der Einsatz von Recycling-Beton nicht nur die Abfallmenge verringern, sondern auch die Energieeffizienz von Bauvorhaben steigern.
Mehr erfahren Sie im DTAD Magazinbeitrag zur Nachhaltigkeit im Bauwesen.
Nachhaltige Beschaffung im Garten- und Landschaftsbau
2020 schrieb das Umweltbundesamt (UBA) die Pflege der Grünflächen am Dienstgebäude Dessau aus, wobei nachhaltige Gestaltung und Pflege im Vordergrund standen. Es wurden heimische Arten gepflanzt, die die Biodiversität fördern. Der Einsatz von emissionsarmen Geräten und Vermeidung von Pflanzenschutzmitteln waren vorgeschrieben; soziale Kriterien wie faire Bezahlung wurden ebenfalls berücksichtigt. Ziel war es, eine pflegeleichte, standortgerechte Vegetation zu schaffen, die langfristig Kosten und Ressourcen spart.
Weitere Effekte: Erhalt der Biodiversität, Lärmreduktion und geringere Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel.
Nachhaltige Beschaffung in der Stromversorgung
2009 beschloss die Gemeinde Herrsching am Ammersee, ihre Liegenschaften und Straßenbeleuchtung mit Ökostrom zu versorgen. Die Ausschreibungen 2010/2011 und 2011/2012 fokussierten auf Strom aus 100 % erneuerbaren Energien, mit strikten Umweltanforderungen. Mindestens 70 % des Stroms musste aus Anlagen stammen, die höchstens sechs Jahre alt sind.
Effekte: Jährlich werden rund 847 Tonnen CO2 und 705 Gramm radioaktiver Abfall vermieden. Die nachhaltige Beschaffung trägt zum Klimaschutz und zur Förderung erneuerbarer Energien bei.
FAZIT: NACHHALTIGKEIT IN DER BESCHAFFUNG
Nachhaltige Beschaffung ist für öffentliche Auftraggeber angesichts von Klimawandel, Globalisierung und demografischem Wandel unverzichtbar. Unternehmen müssen dabei vielfältige ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen, um ihre Akquise im öffentlichen Sektor zukunftsfähig zu gestalten. Der Einsatz nachhaltiger Beschaffung bietet zahlreiche Vorteile, wie den Beitrag zum Klimaschutz, die Erfüllung regulatorischer Anforderungen und die Minimierung von Risiken. Beispiele aus verschiedenen Bereichen zeigen, dass ökologische und ökonomische Interessen erfolgreich vereint werden können. Langfristig profitieren Unternehmen durch verbesserte Wahrnehmung, Wettbewerbsvorteile und Zugang zu neuen Kundengruppen.
Kurzum: Nachhaltige Beschaffung spielt eine entscheidende Rolle für Unternehmen, um sich resilient und zukunftsorientiert aufzustellen.
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