DIE INHOUSE-VERGABE - WAS BIETER WISSEN MÜSSEN
Für Anbieter ist es Ärgernis: Sie bemühen sich intensiv um öffentliche Aufträge und arbeiten in der Vorakquise auf eine lukrative Ausschreibung hin, nur um festzustellen - die Leistung wurde ohne Ausschreibung an eine Anstalt öffentlichen Rechts oder ein staatlich beherrschtes Unternehmen vergeben.
Um Ärgernis zu vermeiden, gibt es mit dem § 108 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) feste Voraussetzungen, die eingehalten werden müssen, wenn die Vergabestelle die Inhouse-Vergabe nutzen und direkt an eine öffentlich beherrschte Institution vergeben will.
Was ist die Inhouse-Vergabe? - eine Definition
Die Inhouse-Vergabe bezeichnet die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein rechtlich unabhängiges Unternehmen, welches vom öffentlichen Auftraggeber kontrolliert wird. Der Auftrag kann direkt, d. h. ohne jegliches Verfahren vergeben werden.
Inhouse-Vergaben sind in § 108 Abs. 1–5 GWB geregelt und fallen unter die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit nach § 108 Abs. 6 GWB.
Was sind die Grundregeln für eine Inhouse-Vergabe?
Regel #1 der Inhouse-Vergabe
Es ist unerlässlich, dass der öffentliche Auftraggeber die "Herrschaft" über den Auftragnehmer ausübt, und zwar "eine ähnliche Kontrolle wie über die eigenen Dienststellen" (§108 Abs. 1 Nr. 1 GWB).
Dieses sogenannte Kontrollkriterium bedeutet im Umkehrschluss, dass beispielsweise kommunal betriebene Schwimmbäder Energieaufträge nicht einfach an Großunternehmen vergeben können, an denen die Kommune minderheitsbeteiligt ist – selbst wenn sie gemeinsam mit anderen Kommunen die Anteilsmehrheit hält.
Regel #2 der Inhouse-Vergabe
An dem beauftragten Unternehmen darf keine private Kapitalbeteiligung bestehen, zumindest dann nicht, wenn die Inhaber dieser Beteiligungen die Entscheidungen der Gesellschaft beeinflussen können. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Dritte von direkten Vergaben ohne marktwirtschaftlichen Wettbewerb profitieren können.
Regel #3 der Inhouse-Vergabe
Bei dieser Grundregel handelt es sich um das sogenannte Wesentlichkeitskriterium. Es besagt, dass das beauftragte Unternehmen in wesentlichen Teilen für denjenigen Auftraggeber tätig sein muss, der seine Anteile hält.
Es ist genau beschrieben, was "wesentlich“ bedeutet: Es müssen tatsächlich mehr als 80 % der Tätigkeiten sein, die für den Auftraggeber bzw. für von ihm kontrollierte Institutionen erbracht werden. Das heißt, eine Stadt darf einer eigenen Abfallwirtschaftsgesellschaft direkt einen Entsorgungsauftrag vergeben, wenn die Gesellschaft mehr als 80 % ihrer Dienstleistungen für die Stadt selbst oder für ihr unterstellte Unternehmen erbringt.
Was sind die Grenzen der Inhouse-Vergabe? - ein Praxis-Beispiel
Die Möglichkeiten zur Inhouse-Vergabe wurden in letzter Zeit zugunsten der Bieter wieder etwas eingeschränkt. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) selbst in einem Urteil vom Dezember 2016 einem Bieter Recht gegeben, der in Italien gegen die Inhouse-Vergabe einer Entsorgungsdienstleistung vorgegangen war.
Im konkreten Fall hatten mehrere Kommunen eine Entsorgungsgesellschaft gegründet und die Anteile unter sich aufgeteilt.
Eine Gemeinde hat die Gesellschaft auf Basis ihres Kontrollkriteriums angewiesen, Entsorgungsarbeiten für eine Gemeinde vorzunehmen, die nicht zum Gesellschafterkreis des beauftragten Unternehmens gehörte. Dagegen wehrte sich ein privates Entsorgungsunternehmen aus der Region.
Begründet hat der EuGH die Unrechtmäßigkeit der Vergabe damit, dass die Gemeinden, die nicht zum Gesellschafterkreis des Unternehmens gehören, als Dritte betrachtet werden müssen. Da die Auftragsübernahme für diese „dritte“ Gemeinde aber dazu geführt hätte, dass weniger als 80 % der Gesamttätigkeiten für die Inhaber ausgeführt worden wären, waren die Voraussetzungen für die Inhouse-Vergabe nicht mehr gegeben (siehe EuGH, Urteil vom 08.12.2016 - Rs. C-553/15).
Ein wichtiges Urteil für die Praxis
Dieses Urteil hat gravierende Auswirkungen auf die Inhouse-Vergabepraxis in Deutschland. Schließlich ist es immer noch eine landläufige Meinung unter den öffentlichen Entscheidungsträgern, dass jedes öffentlich beherrschte Unternehmen von jeder öffentlichen Institution direkt beauftragt werden kann, ohne dass im Vorfeld eine Ausschreibung stattfindet.
Treffen Sie also auf eine Konstellation, in der ein für Sie interessanter Auftrag einfach an ein öffentliches Unternehmen vergeben wird, dass die beauftragende Kommune aber nicht kontrolliert, können Sie dieses wichtige Urteil von Dezember 2016 anführen.
Wo finden Inhouse-Vergaben statt?
Inhouse-Vergaben finden besonders oft im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) statt, wenn der Betrieb von Teilen oder gar der gesamten Verkehrsinfrastruktur in die Hände eines kommunalen Verkehrsunternehmens gelegt wird.
Weitere Brachen, in denen Inhouse-Vergaben vorkommen, sind die Energie- und die Abfallwirtschaft, in denen es in der Regel um recht voluminöse Aufträge geht. Es ist damit wenig verwunderlich, dass Inhouse-Vergaben immer wieder zum Streitfall führen und es bereits wegweisende Gerichtsurteile zu Streitpunkten gab.
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