DÜRFEN BIETER REFERENZEN VON VORGÄNGERUNTERNEHMEN VORLEGEN?
Den Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit für einen öffentlichen Auftrag kann ein Unternehmen vor allem durch vergleichbare Referenzaufträge erbringen. Dabei muss es sich grundsätzlich um Referenzleistungen handeln, die das Unternehmen selbst erbracht hat. Davon gehen jedenfalls die einschlägigen Regelungen im europäischen Vergaberecht aus.
Eine Rechtsgrundlage für die Zurechnung von Referenzen von Vorgängerunternehmen kennt weder die EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU noch das deutsche Vergaberecht. Unter bestimmten Voraussetzungen können einem Bewerber oder Bieter jedoch auch die Referenzen eines Vorgängerunternehmens zugerechnet werden. Das bekräftigt eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer (VK) Südbayern (Beschluss vom 25.02.2021 – 3194.Z3-3_01-20-47).
Voraussetzung hierfür ist, dass eine weitgehende Identität zwischen den Personen, die für die Referenzaufträge zuständig waren und den Mitarbeitern in den neu gegründeten Unternehmen, besteht. Dabei reicht es aus, wenn sich die Personen, die die Referenzen erarbeitet haben, noch im Unternehmen befinden. Sie müssen nicht im Projektteam für den konkreten Auftrag benannt sein.
Der Fall
Der konkrete Fall betraf die Vergabe von Projektsteuerungsleistungen für den Neubau des Zentrums für integrierte transnationale Forschung an einer Universität. Die Leistungen wurden im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit ausgeschrieben. Die Bewerber, die zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert werden, sollten u. a. anhand der von den Unternehmen anzugebenden maximal drei vergleichbaren Referenzprojekten ausgewählt werden. Ein Bewerber, die spätere Beigeladene, reichte Referenzen ein, die von verschiedenen Vorgängerunternehmen erbracht worden waren.
Die Universität forderte fünf Bewerber zur Angebotsabgabe auf; darunter auch die Beigeladene und die spätere Antragstellerin, die beide ein Angebot abgaben. Die Beigeladene sollte den Zuschlag erhalten. Nachdem die Antragstellerin hierüber informiert worden war, rügte sie die fehlende Eignung der Beigeladenen. Unter Beifügung von Partnerschafts- und Handelsregisterauszügen machte sie geltend, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Übernahme von Referenzen von Vorgängerunternehmen nicht vorlägen.
Die Universität half der Rüge nicht ab. Daraufhin strengte die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren an. Die Universität nahm dies zum Anlass, die Beigeladene im Rahmen der Angebotsaufklärung um Stellungnahme zu einzelnen Referenzprojekten aufzufordern. Die Beigeladenen kam dem nach und konnte – u. a. durch Referenzbescheinigungen – glaubhaft darlegen, dass die von ihr angegebenen Referenzaufträge ungeachtet der Unternehmensänderungen durchgehend von wesentlichen Führungskräften und Mitarbeitern erarbeitet worden waren, die bis heute im Unternehmen beschäftigt sind.
Die Entscheidung
Die VK Südbayern entschied, dass die Beigeladene sich grundsätzlich auf die Referenzen, die teilweise von ihren Vorgängerbüros erbracht wurden, berufen dürfe. Die Kammer ordnete an, dass die Universität den Teilnahmeantrag der Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu prüfen habe. Dennoch hatte der Nachprüfungsantrag nur teilweise Erfolg. Denn – wegen noch laufender Rechtsstreitigkeiten – stehe derzeit noch nicht fest, so die Kammer, ob die Beigeladene bei den Referenzprojekten alle Projektstufen in allen Handlungsbereichen erbracht habe. Es blieb also zunächst noch offen, ob die Referenzaufträge der Beigeladenen tatsächlich als vergleichbar anzusehen waren.
Auf die Referenzen ihrer Vorgänger durfte sich die Beigeladene jedoch zum Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit berufen. Wesentliche Führungskräfte und Mitarbeiter, die an diesen Referenzaufträgen in den jeweiligen Vorgängerbüros mitgewirkt hätten, waren nach wie vor für die Beigeladene tätig. Das reiche zumindest im konkreten Fall aus, so die Vergabekammer. Denn bei der Vergabe von Projektsteuerungsleistungen – wie hier – komme es insbesondere auf die Erfahrung der Führungskräfte und Mitarbeiter eines Unternehmens und weniger auf unverändert übernommene, eingespielte Unternehmensstrukturen an.
Zudem sei in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass es Konstellationen gebe, in denen sich ein Unternehmen auf Referenzen eines Vorgängerunternehmens berufen könne. Dies gelte gerade auch bei der Vergabe von freiberuflichen Dienstleistungen wie Projektsteuerungsleistungen. Auch wenn Referenzen in Form von Büroreferenzen gefordert würden, seien Referenzen bei freiberuflichen Leistungen in gewissem Maße personengebunden. Aus diesem Grund lasse es die Rechtsprechung zu, dass ein Bewerber sich auch auf die Referenzen eines Vorgängerunternehmens berufen könne, wenn er die gleichen Personen beschäftige und über das bisher vorhandene Know-how verfüge.
Dabei komme es nicht darauf an, dass das Personal, das beim jeweiligen Referenzauftrag in leitender Position tätig gewesen sei, auch für den zu vergebenden Auftrag in leitender Position tätig werde. Vielmehr müssten die Referenzen – soweit der Auftraggeber nichts Näheres festgelegt habe – lediglich geeignet sein und einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens eröffnen.
Die Bedeutung für Bieter
Ein neu gegründetes oder in seiner Unternehmensform verändertes Unternehmen kann nicht ohne weiteres mit einem Unternehmen gleichgestellt werden, das unverändert weiterbesteht und sich daher selbst dann auf erarbeitete Referenzen berufen kann, wenn wesentliche Mitarbeiter, die an den Referenzaufträgen mitgearbeitet haben, das Unternehmen verlassen haben. Ansonsten würde die Unterscheidung zwischen Unternehmensreferenzen und persönlichen Referenzen der Mitarbeiter verwischt, betont die Kammer.
Der Beschluss zeigt jedoch, dass etwa „Newcomer“ gut daran tun, durch aussagekräftige Unterlagen – zum Beispiel entsprechende Referenzbescheinigungen – zu belegen, dass die Referenzaufträge durchgehend von Führungskräften und Mitarbeitern erarbeitet wurden, die bis heute im Unternehmen beschäftigt sind. Dann können auch Referenzen von Vorgängerunternehmen die Eignung des neuen Unternehmens belegen und dessen Chancen im Wettbewerb um den ausgeschriebenen Auftrag wahren.
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