AUSSCHLUSS WEGEN FRÜHERER SCHLECHTLEISTUNG: NUR NACH ANHÖRUNG
Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) kann der öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen von der Teilnahme eines Vergabeverfahrens ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags, zu Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
Will ein öffentlicher Auftraggeber einen Bieter nach dieser Vorschrift vom Vergabeverfahren ausschließen, muss er den betroffenen Bieter vor einer Ausschlussentscheidung in aller Regel anhören. Vor einem Ausschluss muss der Auftraggeber zudem eine Prognose darüber anzustellen (und dokumentieren), ob von dem Unternehmen für die Zukunft zu erwarten ist, dass es den aktuell zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen wird. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München im Beschluss vom 29.01.2021 (Verg 11/20) bekräftigt.
Der Fall
In dem konkreten Fall schrieb eine Kommune Reinigungsleistungen für das H.-Gymnasium europaweit im offenen Verfahren aus. Für das Los 2 (Glasreinigung) beteiligte sich ein Bieter, die spätere Antragstellerin, mit einem Angebot. Ihr Angebot war das preislich niedrigste. Die Antragstellerin hatte schon bislang den Auftrag der Kommune für die Reinigung des H.-Gymnasiums innegehabt. Der Reinigungsvertrag war von der Kommune zum 30.06.2020 ordentlich gekündigt worden. Die Antragstellerin war auch von der Kommune mit Reinigungsleistungen für das D.- Gymnasium beauftragt.
Diesen Reinigungsvertrag beendete die Kommune durch außerordentliche Kündigung zum 30.06.2020 und sprach zugleich eine Sperre der Antragstellerin für die Erteilung künftiger Aufträge aus. In dem aktuellen Vergabeverfahren beabsichtigte die Kommune, den Zuschlag an einen Konkurrenten zu erteilen. Die Antragstellerin sei aufgrund der Vergabesperre von der Angebotswertung ausgeschlossen. Die Antragstellerin rügte ihren Ausschluss.
Die Vergabestelle nahm die Sperre daraufhin zurück; die Antragstellerin wurde aber gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wegen Schlechterfüllung eines früheren öffentlichen Auftrags ausgeschlossen. Im Vergabevermerk war insoweit festgehalten, dass bei der Reinigung des H.-Gymnasiums des Öfteren Mängel aufgetreten seien. Weiter hieß es in dem Vergabevermerk, dass „vor allem" erhebliche unzählige dokumentierte Mängel bei der Reinigung im D.-Gymnasium festgestellt worden seien.
Der Ausschluss sei geeignet, um eine andere, voraussichtlich besser geeignete Firma finden zu können. Nach erfolgloser Rüge ihres Ausschlusses strengte die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren an. Während des Verfahrens sprach die Kommune erneut die außerordentliche Kündigung des Reinigungsvertrages für das D.-Gymnasium u. a. wegen eines Nachunternehmereinsatzes der Antragstellerin aus.
Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Der Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sei erfüllt. Gegen den Beschluss der Vergabekammer richtete sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
Die Entscheidung
Die sofortige Beschwerde hatte in der Sache Erfolg. Das OLG ordnete an, das Verfahren in das Stadium vor den Ausschluss zurückzuversetzen und das weitere Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut durchzuführen. Die Ausschlussentscheidung sei so, wie sie getroffen worden sei, rechtlich nicht haltbar, entschied das OLG.
Es bemängelte, dass (1) über den Ausschluss ohne vorherige Anhörung der Antragstellerin entschieden worden sei, (2) ihm keine Prognose über die zukünftige Auftragsausführung des Unternehmens zugrunde liege und (3) die Kommune das ihr zustehende Ermessen nicht richtig ausgeübt habe.
Daher halte sich der Ausschluss nicht an die Anforderungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Zwar habe es hier Vorfälle gegeben, aufgrund derer man den Ausschluss der Antragstellerin in Betracht ziehen könnte, bestätigt das Gericht. Ob die von der Kommune herangezogenen Aspekte die einzelnen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erfüllten, bedürfe hier jedoch keiner vertieften Prüfung und Entscheidung.
Es fehle hier schon an der – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und des rechtlichen Gehörs –in aller Regel erforderlichen Anhörung der Antragstellerin. Auch habe der Auftraggeber eine Prognose anzustellen, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung in Zukunft zu erwarten stehe, dass er den nunmehr vergebenen Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde.
Dass die Kommune hier eine derartige Prognoseentscheidung getroffen habe, sei anhand der Dokumentation des Vergabeverfahrens nicht ersichtlich. Auch sei mit dem Los 2, das Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens war, nur die Glasreinigung ausgeschrieben worden; die von der Kommune vorgetragenen Mängel hätten aber zu einem wesentlichen Teil die Unterhalts- und Grundreinigung betroffen. Diese Reinigungsleistungen würden aber unstreitig von ganz anderem Personal als die Glasreinigung ausgeführt.
Schließlich sei auch die dokumentierte Ermessensausübung der Kommune fehlerhaft. So hätten die geltend gemachten Mängel einen Zeitraum erst ab Mai 2019 betroffen. Die Antragstellerin habe aber zuvor über mehrere Jahre hinweg die Reinigungsleistungen ohne Beanstandungen erbracht.
Diesen Aspekt habe die Kommune nicht berücksichtigt. Auch sei der Wunsch nach einem anderen Auftragnehmer per se noch kein Grund für den Ausschluss eines Bieters. Schließlich sei die Entscheidung der Kommune auch widersprüchlich. Denn der Ausschluss sei auf angeblich mangelhafte Reinigung des H.-Gymnasiums gestützt werde; im Vergabevermerk sei aber ausdrücklich „vor allem" auf die dokumentierten Mängel bei der Reinigung des D.-Gymnasiums abgestellt worden. Auch sei unklar, warum ein Ausschluss bei Los 2 (Glasreinigung), nicht aber bei Los 1 (Grund- und Unterhaltsreinigung) ausgesprochen worden sei.
Die Bedeutung für Bieter
Kein Ausschluss ohne vorherige Anhörung des Betroffenen: Diese Grundregel wird den Auftraggebern vom OLG München einmal mehr ins Stammbuch geschrieben. Vor einem Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB muss der Auftraggeber sich zudem mit der Frage befassen, ob von dem betreffenden Unternehmen auch künftige Schlechtleistungen zu erwarten sind.
Eine negative Prognose für die Zukunft kann dabei durchaus auf die – erheblichen – Verfehlungen in der Vergangenheit gestützt werden. Derartige Erwägungen muss der Auftraggeber dann aber auch begründen und in der Vergabeakte festhalten. Schließlich steht die Entscheidung über den Ausschluss gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB wegen früherer Schlechtleistung eines Unternehmens im Ermessen des Auftraggebers, d. h., er kann den Ausschluss beschließen, muss es aber nicht.
Der Auftraggeber muss das ihm eingeräumte Ermessen dabei rechtsfehlerfrei ausüben. Rechtsfehler können darin liegen, dass der Auftraggeber relevante Aspekte nicht berücksichtigt, sich auf sachfremde Erwägungen stützt oder Aspekten ein Gewicht beimisst, das ihnen nicht zukommt. Wie die Entscheidung des OLG München zeigt, fällt es Auftraggebern nicht immer leicht, die durchaus hohen Hürden für einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zu überwinden. Für Bieter bedeutet das, dass es sich durchaus lohnen kann, einem solchen Ausschluss mit einer Rüge und eventuell auch einem Nachprüfungsantrag entgegenzutreten.
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