KÜNDIGERRÜCKGEWINNUNG: ERST ZUHÖREN, DANN HANDELN!
Was haben die Durchquerung einer Wüste und die Rückgewinnung von Kunden gemeinsam? Auf den ersten Blick erst einmal nicht wirklich viel. Steven Rau, Geschäftsführer der DuMont Process GmbH und Extremsportler, erklärt im DTAD Interview, worauf es bei Rückgewinnungsgesprächen ankommt und wie ihm seine Erfahrungen als Sportler nicht nur bei Wüstendurchquerungen geholfen haben. Fokus der DuMont Process GmbH: die Individualisierung eines jeden einzelnen Kundenkontaktes und dessen Bearbeitung. Dabei unterstützt DuMont Process beratend, übt selbst aus oder prüft bestehende Customer Service Channels.
"Der Kunde kündigt, wenn der Preis in Diskrepanz zur Qualität des Produktes oder Service steht"
Herr Rau, Sie sind Extremsportler: Was ist für Sie herausfordernder eine Wüstendurchquerung oder ein Rückgewinnungstelefonat?
Steven Rau: Das Rückgewinnungstelefonat! Ich kann mich sehr gut auf meine Projekte vorbereiten, mich auf mögliche Eventualitäten einstellen und weiß, worauf ich mich einlasse. Für den Mitarbeiter ist es deutlich schwieriger, da er nie weiß, welcher Kundentyp ihn gerade kontaktiert. Der Mitarbeiter muss sehr vielfältig aufgestellt sein und sich neben der Produktwelt auch auf dem rhetorischen Parkett bestens auskennen. Zudem kann Sport auch unter Extrembelastungen durchaus etwas Meditatives haben. Der Agent befindet sich hingegen meist in einer Stresssituation.
Der Preis, der Preis - weshalb kündigen Kunden wirklich?
S. Rau: Weil ich keinen guten Service biete. Der Preis tut doch fast gar nichts zur Sache, wenn wir mal wirklich ehrlich sind. Nach dieser These dürften Porsche und Mercedes ja keine Kunden mehr haben. Aber ganz im Gegenteil, beide Unternehmen erfreuen sich bester „Gesundheit“. Der Kunde kündigt, wenn der Preis in Diskrepanz zur Qualität des Produktes oder dem gebotenen Service steht. Der Kunde ist heutzutage durchaus bereit, mehr für sein Produkt zu zahlen, erwartet dann aber auch eine gewisse Qualität und den entsprechenden Service.
Wie gehen Unternehmen richtig mit Kündigern um?
S. Rau: Ein Kunde kündigt zunächst einmal, weil eine Unzufriedenheit besteht. Diese ist in den wenigsten Fällen durch das Produkt selbst begründet. Nach meiner Erfahrung sind es meist Herausforderungen rund um das eigentliche Produkt: wie Lieferschwierigkeiten, eine Preisanpassung ohne Mehrwert, fehlender Service, Unfreundlichkeit oder zum Beispiel die Produktqualität hat gewechselt. Für den Mitarbeiter im Unternehmen besteht daher die erste Aufgabe im Zuhören und dem Stellen der richtigen Fragen. Nur selten spricht der Kunde über den wahren Grund der Kündigung. Wenn es gelingt den Kunden bei seiner Unzufriedenheit abzuholen, fühlt er sich ernst genommen und lernt auch den guten Service zu schätzen.
Wie erfahren Unternehmen die tatsächlichen Kündigungsgründe und wie erfragen sie diese?
S. Rau: Zunächst müssen Sie erst einmal zuhören. Viele starten direkt mit einem Vertriebseinstieg in das Gespräch und überfordern den Kunden dabei komplett. In erster Linie geht es aber im Gespräch um den Kunden und seine Bedürfnisse. Nehmen Sie den Kunden dabei ernst. Nur wer sich verstanden und ernst genommen fühlt, ist auch gewillt, sich in ein weiterführendes Gespräch zu begeben und über sein eigentliches Anliegen auszutauschen. Zeigen Sie ein ernsthaftes Interesse, dass bestehende Problem auch nachhaltig zu lösen.
Wie wichtig ist Feedbackbereitschaft für die Kündigerrückgewinnung?
S. Rau: Wer soll denn am Ende des Tages mein Produkt kaufen? Der Kunde! Wer sollte die Produkteigenschaften, den Mehrwert, die Nutzbarkeit, das Design oder sonstige Eigenschaften besser beurteilen können als unsere Kunden? Wenn Unternehmen also der Meinung sind, dass sie darauf nicht zu hören brauchen, werden sie auf kurz oder lang ganz alleine dastehen. Ganz im Gegenteil, sollten Unternehmen dankbar sein für jeden Kunden, der sich die Zeit nimmt, Feedback zu den eigenen Produkten zu geben.
Wie binden Unternehmen Kundenfeedback erfolgreich zur Kündigungsprävention ein?
S. Rau: Grundlage für eine erfolgreiche Kündigungsprävention ist zunächst das eben erwähnte Feedback bzw. der Kunde, der sich die Zeit nimmt, über seine Erfahrungen mit meinen Produkten zu sprechen. Viele Unternehmen belohnen ein solches Engagement des Kunden sogar mit kleinen Rabatten oder sonstigen Geschenken. Der zweite Schritt ist eine kritische Menge an Feedbacks zu erhalten. Zwar sollte auch jedes einzelne Feedback ernst genommen werden, aber, um Maßnahmen für eine wirksame Kündigungsprävention zu implementieren, benötigen Unternehmen eine solide Menge an Feedbacks, die sie sinnvoll analysieren können. Dies ermöglicht es, zunächst die zwei bis drei größten Herausforderungen aus Kundensicht zu bearbeiten.
Welche Phasen gibt es bei der Kundenrückgewinnung?
S. Rau: Zunächst sprechen wir von einer sogenannten Gefährdungsphase, in welcher der Kunde lediglich mit dem Gedanken spielt, die Leistung oder das Produkt zukünftig nicht mehr zu nutzen. Als gut aufgestelltes Unternehmen gelingt es, bereits hier den Kunden abzuholen. Noch besser für das Unternehmen: Wenn die Kunden erst gar nicht in diese Phase kommen. Gelingt es hier nicht den Kunden abzufangen, geht dieser in die Auflösungsphase über. Hier hat er die Entscheidung getroffen unsere Leistung nicht weiter zu beziehen. Auch hier haben Unternehmen noch einmal die Möglichkeit, den Kunden von seiner Kündigungsabsicht abzubringen. In der finalen Abstinenzphase bezieht der Kunde schließlich keine Leistungen mehr vom Unternehmen.
Welche Schritte sind notwendig, um Kündiger erneut von sich zu überzeugen?
S. Rau: Das wird wohl eine etwas umfassendere Antwort, wenn wir wirklich alle Punkte besprechen wollen. Ich versuche es mal in Kurzform darzustellen: Es gibt Kunden, die kündigen tatsächlich, weil das Unternehmen eine Politik verfolgt, in der ein Neukunde besonders attraktive Konditionen erhält. Der Kunde spekuliert darauf, dass er als Kündiger ebenfalls diese Konditionen beziehen kann. Andere Kunden sind tatsächlich unzufrieden. Die Frage ist hier, ob es gelingt, seine Sorgen zu beseitigen und ihn davon zu überzeugen, dass er zukünftig eine bessere Leistung erhält. Die beste Methode ist aber seinen Kundenservice so aufzubauen, dass Unzufriedenheit frühzeitig erkannt und aufgegriffen (Churn Prevention) wird. Noch besser ist eine Leistung inkl. Customer Service, welcher erst gar keinen Anlass gibt, sich mit einer Kündigung zu befassen.
Was sind Ihrer Meinung nach die erfolgversprechendsten Strategien und Konzepte der Kundenrückgewinnung?
S. Rau: Ich finde, es ist die erfolgreichste Strategie, sich mit den Gründen des Kundenverlustes zu befassen und sich mit den eigenen betrieblichen Schwächen und Fehlern auseinanderzusetzen, um zukünftige Abwanderungen zu verhindern. Eine Kundenrückgewinnungsmanagements-Analyse (KRM) kann hier helfen.
Als Sportler haben Sie zwei Wüsten ohne Nahrung und nur mit wenig Litern Wasser durchquert. Welche Motivationstricks nutzen Sie im beruflichen Alltag?
S. Rau: Es sind weniger spezielle Tricks als vielmehr eine generelle Einstellungsfrage. Ich möchte der Beste sein, in dem was ich tue. Mit diesem Ansatz gehe ich täglich auf die Arbeit und arbeite mit meinem Team an diesem Ziel. Meine Erlebnisse der Touren helfen mir dabei viele Probleme nicht als all zu groß anzusehen. Das hilft mir in vielen Situationen gelassen zu bleiben und Ruhe zu transportieren. Zudem bin ich stets lösungsorientiert. Wenn ich in der Wüste ein Problem habe, muss ich mit dem auskommen, was ich dort vorfinden und das Problem damit lösen.
Beim Sport ist beständiges Training unerlässlich: Wie trainieren Unternehmen erfolgreiche Kundenrückgewinnungsstrategien?
S. Rau: Trainieren Sie ihr Team regelmäßig und bauen Sie gemeinsam ein breites rhetorisches Portfolio auf. Es hilft unheimlich wenn sie im Team gemeinsam Voicefiles hören und auswerten. Geben Sie Ihren Mitarbeitern Best Practice Beispiele und zeigen sie ihren Mitarbeitern Optionen auf, wie man ein schwieriges Gespräch hätte anders führen können.
Welche Eigenschaft ist Ihrer Ansicht nach für die Kundenrückgewinnung am Wichtigsten – Hartnäckig- und Kooperationsfähigkeit oder Servicebereitschaft?
S. Rau: Diese Eigenschaften schließen sich für mich nicht gegenseitig aus. Deshalb ist meine Antwort ein “und“ statt dem “oder“.
Wann ist für Sie der Zeitpunkt erreicht, von weiteren Rückgewinnungsversuchen abzusehen?
S. Rau: Im telefonischen Kontakt fällt die Erfolgschance mit zunehmenden Anwahlversuchen dramatisch. Meist liegt die Chance, nach sieben erfolglosen Versuchen, bereits bei unter 10 % den Kunden doch noch zu erreichen. Es empfiehlt sich dann, auf schriftlichem Weg in Kontakt mit dem Kunden zu bleiben. Zeigen Sie Neuigkeiten von Ihrem Unternehmen, machen Sie auf Sonderkonditionen aufmerksam und sprechen Sie den Kunden persönlich an.
Wie kann Kündigerrückgewinnung ein erfolgreiches Sprungbrett fürs Upselling werden?
S. Rau: Zunächst muss die Kündigerrückgewinnung erfolgreich sein. Im weiteren Step muss das Vertrauen in die Produkte neu aufgebaut werden. Wenn dies im Kontakt gelingt, habe ich gute Chancen auf ein Up- oder Crossselling.
Herr Rau, vielen Dank für Ihre Antworten!