VERGABEMINDESTLOHN: DAS (UN-)BEKANNTE WESEN
Der öffentliche Vergabemindestlohn – das unbekannte Wesen? So scheint es, wenn man die Vergabeneuigkeiten aus Berlin der letzten Zeit beobachtet. Was ist passiert? Dem Berliner Senat unterlief bei einer Ausschreibung für das Catering an Grundschulen ein grober Fauxpas: aus Versehen wurde darin der vorgegebene Vergabemindestlohn unterschritten. Während in Berlin noch nach einer Lösung für diese versehentliche Panne gesucht wird, erfahren Sie in diesem Artikel, was es mit dem Vergabemindestlohn auf sich hat und welche Änderungen in welchem Bundesland anstehen.
Was sind die Tariftreueregelungen und der Vergabemindestlohn?
Der Vergabemindestlohn ist noch gar nicht so „alt“ und eine "zusätzliche Ausführungsbedingung" bei öffentlichen Vergaben. Soziale Kriterien und Nachhaltigkeit haben in den letzten Jahren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine immer bedeutendere Rolle eingenommen. Eines der wichtigen Kriterien: die Entlohnungsbedingungen für Auftragnehmer, welche öffentliche Aufträge umsetzen sowie die Verhinderung von Dumping-Löhnen bei selbigen.
In den 2000er Jahren haben deshalb viele Länder auf die gesetzliche Tariftreue gesetzt und diese eingeführt. Öffentliche Aufträge erhielten nur Unternehmen, die ihren Beschäftigten bei der Umsetzung mindestens die Löhne zahlten, die die ortsüblichen Tarifverträge vorsahen. Ziel der Tariftreue- und Vergabegesetze ist es, Mindeststandards für Lohn- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und Lohndumping zu verhindern.
Das Rüffert-Urteil aus 2008 sorgte dafür, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den Tariftreueklauseln des niedersächsischen Vergaberechts einen Verstoß gegen die Europäische Entsenderichtlinie sah. Laut EuGH sah dieser in den Tariftreuevorgaben keinen verhältnis-mäßigen Arbeitnehmerschutz und dass diese zu Lasten von ausländischen Anbietern gingen. Daher schob das Gericht einen Riegel vor. In Folge des Urteils verabschiedeten einige Bundesländer vergabespezifische Mindestlöhne. Der Vergabemindestlohn als ergänzende Ausführungsbedingung fungiert somit als Lohnuntergrenze bei der Durchführung öffentlicher Aufträge.
Welche Bundesländer haben Tariftreue?
Unter Tariftreue wird die Einhaltung eines Tarifvertrages im Rahmen von Tarifbindungen durch einen Arbeitgeber verstanden. Für das Vergaberecht bedeutet dies: Auftragnehmer verpflichten sich zur Einhaltung tarifgebundener Arbeitsbedingungen des Staates. Aktuell verfügen 14 von 16 Bundesländern über eigenständige, landesspezifische Tariftreue- und Vergabegesetze. Darunter zählen:
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Baden-Württemberg,
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Berlin,
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Brandenburg,
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Bremen,
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Hamburg,
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Hessen,
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Mecklenburg-Vorpommern,
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Niedersachsen,
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Nordrhein-Westfalen,
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Rheinland-Pfalz,
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Niedersachsen,
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das Saarland,
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Schleswig-Holstein und Thüringen.
Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern führten in 2018 einen vergabespezifischen Mindestlohn in Höhe von 9,54 Euro bzw. 9,80 Euro pro Stunde ein. In Bayern und Sachsen existieren keine eigenständigen Mindestlohnvorgaben. In Sachsen-Anhalt gibt es zwar ein Gesetz zur Einhaltung der landesspezifischen Tariftreue und Vergabe, das Bundesland besitzt jedoch keinen Mindestlohn.
Welche Bundesländer haben vergabespezifische Mindestlöhne über dem gesetzlichen Mindestlohn?
Vergabespezifische Mindestlöhne über dem gesetzlichen Mindestlohn |
(aktuell / in Euro pro Stunde) |
Thüringen |
9,54 |
Mecklenburg-Vorpommern |
9,80 |
Schleswig-Holstein |
9,99 |
Berlin |
10,50 |
Brandenburg |
10,68 |
Bremen |
10,93 |
Allgemeiner Mindestlohn |
(aktuell / in Euro pro Stunde) |
Baden-Württemberg |
9,35 |
Hamburg |
9,35 |
Hessen |
9,35 |
Niedersachsen |
9,35 |
Nordrhein-Westfalen |
9,35 |
Rheinland-Pfalz |
9,35 |
Saarland |
9,35 |
Tab. 1: Übersicht Vergabemindestlöhne / Bundesland (dtad.com) , Stand: Februar 2020
Bevorstehende Änderungen der Vergabemindestlöhne
Im Rahmen von bundesweiten Novellierungen der Vergabegesetze gibt und gab es ebenfalls Anpassungen und Aktualisierungen. Hierbei ist zu beachten, dass die länderspezifischen Regelungen sehr differenziert und nicht einheitlich festgehalten sind. Das bedeutet: einige der Anpassungen befinden sich aktuell noch im Entwurfsmodus, wurden auf Länderebene beschlossen oder sind bereits in Kraft getreten.
Geplante Änderungen der Vergabemindestlöhne sind u. a. in folgenden Bundesländern geplant, beschlossen oder bereits umgesetzt:
Bundesland |
aktuell / in Euro pro Stunde) |
Status Novellierung |
zukünftig / in Euro pro Stunde) |
Mecklenburg-Vorpommern |
9,80 |
In Kraft getreten ab dem 01.10.2019 |
10,07 |
Thüringen |
9,54 |
Beschluss Juli 2019 |
11,42 |
Berlin |
10,50 |
Beschluss Senat Dezember 2019 |
12,50 |
Brandenburg |
10,68 |
Gesetzentwurf, geplant zum Ende des 3. Quartals 2020 |
13,00 |
Tab. 2: Änderungen Vergabemindestlöhne / Bundesland, (dtad.com) , Stand: Februar 2020