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VERGABEFREIE SPONTANE ÄNDERUNGEN – DIE CHANCE ZUR NACHVERHANDLUNG

Vergabefreie spontane Änderungen – Die Chance zur Nachverhandlung

Es soll ganze Branchen geben, die den wahren Gewinn gar nicht über die eigentliche Ausschreibung erzielen, sondern über Nachverhandlungen. Zusätzliche Beauftragungen ergeben sich oft daraus, dass die Leistungsbeschreibung an der einen oder anderen Stelle nicht präzise genug war. 

In der Regel fällt es den Vergabestellen sehr schwer, vor allem komplexere Baumaßnahmen so genau in einzelne Bauabschnitte zu unterteilen, dass alle Arbeiten reibungslos ineinandergreifen und es weder zu Verzögerungen noch zu ungeplanten Mehraufwänden kommt. Sie als Auftragnehmer haben einige Möglichkeiten, diese Nachtragsarbeiten mit der Vergabestelle zu verhandeln, ohne dass dazu neu ausgeschrieben werden muss.

Selbst vielen Vergabestellen ist gar nicht bekannt, dass sie gesetzlich sogar über die Möglichkeit verfügen, mit Ihnen in einem gewissen Umfang in Nachverhandlungen zu treten. Meist kennen sie nur die Vorschrift in § 132 GWB. Die besagt, dass wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrages während einer Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren erfordern. Im selben Paragraphen stehen aber eine Reihe an Ausnahmetatbeständen, die selbst vielen hauptamtlichen Vergabestellenmitarbeitenden unbekannt sind. So ist in Absatz 3 des § 132 GWB explizit geregelt, dass nicht neu ausgeschrieben werden muss, wenn im Dienstleistungsbereich der Gesamtwert der Änderungen nicht mehr als 10 % der Auftragssumme ausmacht. Bei Bauausschreibungen liegt die Schwelle sogar bei 15 %.

Das heißt, Sie können bei einem Dienstleistungsauftrag von 100.000 € Gesamtvolumen zusätzlich Dienstleistungen im Wert von bis zu 10.000 € frei mit der Vergabestelle verhandeln, ohne dass neu ausgeschrieben werden muss. Bei Bauausschreibungen mit einem Volumen von 2,5 Mio. € sind es gar bis zu 375.000 €, über die individuell verhandelt werden kann.

 

Setzen Sie auf diesen „Joker“

Die Juristen nennen diese Regelung standesgemäß „de-minimis-Regelung“, ich nenne sie ganz pragmatisch „Joker“. Schließlich hat sie mir schon so manches Mal geholfen, zusätzliche Produkte zu einer guten Marge an den Mann beziehungsweise den öffentlichen Auftraggeber zu bringen. Vor allem übrigens dann, wenn das Ausschreibungsbudget großzügig kalkuliert wurde und in dem berühmten Topf des öffentlichen Haushalts noch etwas übrig ist. Nach meiner Erfahrung lohnt es sich besonders, kurzfristig nach Beauftragung auf die Vergabestelle beziehungsweise den Nutzer zuzugehen und das ein oder andere, was Sie gemäß Angebot nicht schulden, zusätzlich anzubieten. So manche Behörde nimmt das gern mit in die Bestellung beziehungsweise den Vertrag auf. Sie riskieren dabei nämlich keine internen Diskussionen, weil zusätzliche behördeninterne Nachverhandlungen nicht notwendig sind.

Praxis-Beispiel

Eine Vergabestelle hatte ein Straßenkehrfahrzeug ausgeschrieben. Unser Mandant hatte die Ausschreibung gewonnen. Der Personalrat machte der Vergabestelle kurz nach Zuschlagserteilung darauf aufmerksam, dass in der Leistungsbeschreibung die Dachluke fehle, die den Fahrern an heißen Sommertagen aber ein echtes Bedürfnis sei. Die Vergabestelle wollte das Anbringen einer Dachluke neu ausschreiben. Wir machten ihr daraufhin ein Angebot unter Verweis auf § 134 Abs. 3 GWB und erhielten daraufhin den Anruf einer glücklichen Vergabestelle, die diese Möglichkeit gar nicht auf dem Schirm hatte und das Angebot dankbar annahm.

 

Nachverhandeln auch bei Freihändiger Vergabe

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch zu wissen, dass der „Joker“ auch bei nationalen Ausschreibungen gesetzlich vorgesehen ist. Bei Bundesbehörden wird er schätzungsweise bei 20 % der Vergaben ausgespielt (§47 Abs. 2 UVgO). Auch dies ist vielen Vergabestellen unbekannt. Ferner können Vergabestellen kleinere Aufträge, also in der Regel Freihändige Vergaben, in viel größerem Umfang nachverhandeln, als manch einer vermutet.

So stellt §8 Abs. 4 Nr.9 UVgO klar, dass Vergabestellen die Verhandlungsvergabe wählen können, wenn eine Ausschreibung „[…] für den Auftraggeber oder die Bieter und Bewerber einen Aufwand verursachen würde, der zu dem erreichten Vorteil oder dem Wert der Leistung im Missverhältnis stehen würde […]“. Auch geben zusätzliche Landes- oder Bundesbestimmungen vor, bis zu welchem Schwellenwert diese Verhandlungsvergaben durchgeführt werden dürfen (§8 Abs. 4 Nr. 16). In manchen Bundesländern liegen diese Werte bei 30.000€ und mehr.

Mein Rat: Wenn Sie also zur Abgabe eines Angebotes im Rahmen einer Freihändigen Vergabe aufgefordert werden, stellen Sie nicht nur ein Angebot zusammen und warten ab. Rufen Sie die Vergabestelle an und weisen Sie auf die Möglichkeit zur Nachverhandlung hin. Fragen Sie ganz offensiv, was Sie tun müssen, um den Auftrag zu bekommen, und verweisen Sie auf die genannten Vorschriften. In der Regel sind diese weder der Vergabestelle noch der Konkurrenz bekannt. So können Sie Ihr rechtliches Wissen nutzen, um das berühmte letzte Angebot zu machen und die Vergabe für sich zu entscheiden!

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